Lernortkooperation im Bereich Nutzfahrzeugtechnik
Evaluation der Lernortkooperationsveranstaltungen mit der Daimler AG, Niederlassung Frankfurt und der Frankurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) des Schuljahres 2006 / 2007
Lernortkooperation verstehe ich die unmittelbare Zusammenarbeit der an der Berufsausbildung beteiligten Institutionen Ausbildungsbetrieb und Berufsschule. Jeder an der Ausbildung Beteiligte stellt seine Ressourcen zur Verfügung, um den Ausbildungsprozess zu verbessern. In meinem Fall bedeutet dies, dass die Betriebe modernes Equipment stellen und die Schule quasi das Lehrpersonal. Beide Beteiligten tun sich mit dem jeweils andern Teil schwer: Die Schule, da ihr Ausrüstung und Geld fehlt, um immer auf dem neuesten Stand der Technik beziehungsweise der Weiterentwicklung zu bleiben, die Betriebe, da sich im Zeitalter der Akkordlöhne kaum Zeit für zeitraubende, fachlich kompetente Ausbildung erübrigen lässt. Außerdem kam es in der Vergangenheit oft zu erheblichen Reibungsverlusten, gerade wenn in den Betrieben Werkunterricht angeboten wird. Hier wird Ausbildungszeit vertan, da Wiederholungen stattfinden, die nicht notwendig wären.
All diese Probleme anzugehen, ist Ziel der Lernortkooperation, wie sie im Bereich der Kfz.-Mechatronik Schwerpunkt Nutzfahrzeuge an der Heinrich-Kleyer-Schule betrieben wird.
Mit Einführung des Berufes des Kfz.-Mechatronikers Fachrichtung Nutzfahrzeuge vor vier Jahren bzw. mit Versetzung der Auszubildenden in die Fachstufe zwei, in der die Unterscheidung erst gilt, im Schuljahr 2005/2006 stellte sich folgende Schwierigkeiten:
- Mit der Einführung des Berufes Kfz.-Mechatroniker Fachrichtung Nutzfahrzeuge müssen angehende Mechatroniker dieses Berufszweiges lernfeldorientiert an Nutzfahrzeugen unterrichtet werden.
- An der Heinrich-Kleyer-Schule ist jedoch kein Nutzfahrzeug zu Schulungszwecken vorhanden. Auch werden keine ausreichend großen Werkstätten mit entsprechender Ausrüstung vorgehalten
- Sinnvoller handlungsorientierter Unterricht ist nicht möglich!
Hieraus wurde die Idee geboren, den Unterricht zeitweise von der Schule in den Betrieb zu verlagern. Dort stehen Räumlichkeiten, Material, Sonderwerkzeug und Diagnose-möglichkeiten in der jeweils aktuellsten Form zur Verfügung. Die nachfolgenden Bilder dokumentieren die Verknüpfung von theoretischem Schulunterricht und praktischem Arbeiten am Objekt am Thema Nutzfahrzeuggetriebe mit elektropneumatischer Schaltung.
- Auch im Lernfeldunterricht ist es notwendig, technische Grundlagen wie bisher zu vermitteln.
- Geändert hat sich die Art der Vermittlung, weg vom frontalen Theorieunterricht, hin zu praxisorientiertem Selbstlernen der Auszubildenden.
- Nach Vermittlung theoretischer Kenntnisse in der Schule sollten die besprochenen Fakten in der Praxis gezeigt werden
Hieraus ergeben sich für den Lehrer folgende Schwierigkeiten:
Die Unterrichtsvorbereitung muss zum Werkstattalltag passen und sich nicht nur auf die reinen Lerninhalte erstrecken, sondern auch die realistischen Gegebenheiten am Fahrzeug berücksichtigen. Hierunter verstehe ich fahrzeugtypische Arbeitsschritte, herstellerbezogene Verfahrensweisen und wiederum situative Schwierigkeiten wie fest gerostete Schrauben oder unbekannte vorhandene Fehler. Zudem ist das zur Verfügung stehende Fahrzeug in der Regel im Vorfeld nicht bekannt. Dies setzt eine sehr umfangreiche eigenen Fortbildung und praktisches Können voraus, da eine Fehlersuche auf Tafel und Papier in der Schule ungleich leichter abläuft als in der Werkstatt am Fahrzeug. Vor allem die Ergebnisse sind in der Praxis schwieriger vorherzusehen.
Dennoch ist die Lernortkooperation mit ihren Unwägbarkeiten absolut sinnvoll für den Lehrer durch
- Aneignung praktischen Wissens und praktischer Erfahrung aus erster Hand, eigene Fortbildung quasi integriert
- Motivation durch eigenen Erfahrungszuwachs
- Gute und realistische Arbeitsbedingungen
- Wesentlich besseres Unterrichtsklima, da Azubis zusätzlich unter Beobachtung ihres Chefs stehen.
- Inhaltsabsprache zwischen Schule und Betrieb zwangsläufig, gute Kommunikation mit Betrieb,
- und letztlich viel Spaß an der Sache, wenn der Unterrichtsinhalt ein Stück Leidenschaft ist.
Lernortkooperation wie dargestellt ist absolut sinnvoll für Auszubildende aus folgenden Gründen:
- Motivation durch Praxisnähe
- Unmittelbarer Zusammenhang mit täglicher Arbeit
- realistische, nicht gekünstelte Aufgabenstellung
- Gute Arbeitsbedingungen,
sowie Motivationsgewinn durch augenscheinliche Akzeptanz des Lehrers und des Unterrichtsinhaltes durch den Ausbilder und Kollegen in den Werkstätten. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass die Auszubildenden nach Möglichkeit den Unterricht vorbereiten, die Werkstatt herrichten, Sonderwerkzeuge besorgen und selbständig ausgebaute Altteile für den Unterricht aufheben und reinigen.
Lernortkooperation ist zweckdienlich für den Betreib durch
- Unmittelbare Kenntnis des Unterrichtsinhaltes
- Wesentlich besseres Unterrichtsklima, da Azubis zusätzlich unter Beobachtung ihres Chefs stehen.
- Inhaltsabsprache zwischen Schule und Betrieb zwangsläufig, gute Kommunikation zwischen Betrieb und Schule.
- Schulung der Azubis auf betriebliche Notwendigkeiten, Mercedes-Azubis lernen an ihren Fahrzeugen und mit Ihren Werkzeugen und Serviceinformationen.
Nach Abnahme der ersten drei gestreckten Abschlussprüfungen (zwei mal vorgezogen, einmal regulär) kann ich sagen, dass dieser Unterricht mit seinen Inhalten voll und ganz die Erfordernisse der Prüfung getroffen hat. Dies zeigt sich nicht zuletzt im guten Abschneiden der Nutzfahrzeugauszubildenden.
Die sich auch ergebende Schattenseite bezieht sich lediglich auf die Unterrichtsorganisation:
- Hoher zeitlicher Aufwand bei Vorbereitung, in Verbindung mit hoher Wochenarbeitszeit und Konferenzen kaum dauerhaft zu bewerkstelligen. Hier muss sich langfristig ein Lehrerteam bilden, das motiviert und willens ist, die gestellten Herausforderungen zu meistern.
- Einplanung schon bei Stundenplangestaltung, da ein Tag reserviert sein muss.
Die angeführten Punkte sind für das Schuljahr 2007 / 2008 in meinem Sinne verwirklicht worden. Dies wird hoffentlich zu einer weiteren Steigerung der Ausbildungszeiteffizienz beitragen.
Anzumerken ist, dass der gesetzliche Rahmen einer solchen Veranstaltungsreihe im Hinblick auf Versicherung und Verantwortung nach wie vor nicht vollständig geklärt ist. Hier ist der Organisator auf die positive Einstellung und Bereitschaft der Verantwortlichen in den Betrieben angewiesen. Eine Klärung kann nur auf höherer Ebene geschehen.